Freitag, 8. Dezember 2017

Plissees als Kunstobjekte


Viele von uns kennen Plissees als moderne Fensterdekoration. Doch schon in der Vergangenheit wurde das Plissee auch als Grundlage verschiedener künstlerischer Darstellungen genutzt.
Kunst, Plissee, DDR Kunst, RolloExpress, Falstore,
Faltrollos von H. Schulze & C.Schlegel im Albertinum Dresden 2017





 




Künstlerisch sehr interessante Plissees sind zur Zeit in der Ausstellung "Geniale-Dilletanten" im Albertinum Dresden zu sehen. Die Ausstellung zeigt die künstlerische Alternativszene der BRD und DDR der 1980er Jahre, welche damals durch Proteste und Provokationen national und international Aufsehen erregten. Ein prägentes Ereignis dieser Zeit war das Festival "Intermedia I", welches 1985 in Coswig veranstaltet wurde. Es war zu DDR Zeiten das wohl radikalste Experiment und das erste Subkulturfestival, dass über zwei Tage im Klubhaus in Coswig stattfand. Bei dem Festival traten Punkbands auf, es gab eine OFF-Modenschau, 8mm Filmpräsentationen, Performances u.a "Herakles Projekt" sowie auch die Ausstellung von eigens für dieses Festival bemalten, beklebten und beschriebenen Plissee Rollos. Sie dienten dem Festival als Kulisse. 40 DDR-Künstler zeigten auf dem Festival ihre politische Einstellung. Es handelte sich um den repräsentativen Querschnitt der autonome bzw. inoffizielle Kunstszene der DDR. Zu den Künstlern die aus Ostberlin, Dresden, Karl Marx Stadt, Magdeburg, Cottbus und Schwerin stammten gehörten u.a. Paul Böckelmann, Steffen Fischer, Michael Freudenberg, Hubertus Giebe, Klaus Hähner-Springmühl, Andreas Hegewald, Johannes Heisig, Christiane Just, Walter Libuda, Hans Scheuerecker, Christine Schlegel, Wolfgang Smy, Jörg Sonntag, Matthias Stein, und Claus Weidensdorfer.
Das Faltstore wurde als Projektionsfläche gewählt, da es diese in der Mangelwirtschaft der DDR gerade gab und sie sehr preiswert waren. "Der große Vorteil des Plissees gegenüber einem Keilrahmen bestand darin, dass man es sehr gut transportieren konnte" - sagte Christine Schlegel in einem Video was in der Ausstellung zu sehen ist. Sie ist auch mit dem von Ihrem gestalteten Plissee in Dresden vertreten. Christoph Tannert (Kurator) sagte zu den Plissees: "Der Ballsaal in Coswig hat eine umlaufende Balustrade.  da muss man von oben was abhängen. Dafür bot sich ein Material an, das leicht transportabel war, einfach befestigt werden konnte und sich bemalen ließ. Faltrollos aus festem Papier sind ideal dafür geeignet. Die Künstler, die wir im Auge hatten für die Bemalung, übrigens aus zwei Generationen, waren sofort Feuer und Flamme."
Als Entdecker der Kunst auf Plissees gilt Dieter Ladewig aus Magdeburg. Er erprobte in den frühen 1980er Jahren mit Malereien auf Faltrollos die Abkehr von der Leinwand. In Kombination mit seinen Malereien auf Papierfaltrollos werden ganze Installationen geschaffen, so etwa in der Ausstellung  „Vorgänge I“ mit dem Projekt „Desastres de la Guerra“ 1984 in Magdeburg und 1986 in Leipzig bei der Galerie Eigen+Art 

Ullrich Wallenburg: In der DDR Kunst gab es nur selten auffallende Ereignisse, die man als Phänomene hätte betrachten können. „das Rollo als aufrollender Vorhang, als Sinnbild, die Abschottung nach außen, den Vorhang aus Eisen, in Gedanken aufzuheben, ihn einzubeziehen, um weiter zu schauen, Blicke zu richten und Schritte zu lenken. Bilder auf Faltungen als mobile Elemente innovativer Ausbrüche  wider die Statik erwünschter Kunstübungen, mit der Sehnsucht, sie hinwegzutragen über die heruntergelassenen Vorhänge, die Grenze heißen.“

Jörg Sperling: „Faltrollomalerei – das war im Ansatz erstmal das Zugehen des Malers mit Pinsel und Impetus auf die geometrisch strukturierte Fläche, die ganz einfach – mit Hilfe der angebrachten Schnur zum Verschwinden gebracht werden konnte. Da hing zwischen Verschwinden und Auftauchen schon was Immaterielles in der Luft. Das preiswerte Material hatte eine niedrige Hemmschwelle zu Folge. Malerei wurde frei von üblichen Bildbehandlungszwängen.“

Reinhild Tetzlaff: „Die Rollo-Kunst entstand aus dem Drang des schnellen Reagieren-Müssens, auf leicht zu verschleißndem Material – eine parabel in doppelter Bedeutung: Schwierigkeiten mit dem Material, Schwierigkeiten mit der Repräsentanz. Die Rollo-Kunst brachte die konsequenteste Alternative zur allzuoft überkünstelten Traditionsverpflichtung. Ich denke, bei der Rollo-Malerei, bei der Bildträger das einfache verschleißbare Faltrollo ist, das seinerzeit noch 4,10 Mark kostete, liegt ein zutiefst gesellschaftlich-moralischer Aspekt zugrunde, der ein Zeitzeugnis existentieller Grundhaltungsmotive einer sih eruptiv-emotional äußernden Menschlichkeit widerspiegelt.

Rainer Zille:  „Rollo-Fenster-Kunst“  (WTOPA-OKHO-UCKYCCTBO) Das Unbegreifliche der Zeit liegt ihrer Unfaßbarkeit – ihrer Größe im Auslöschen fast alles Dinge. Alle Kunstbemühungen seit der Spätklassik sind Teil einer riesigen Spirale, welche die Zeit beliebig zusammendrückt und somit einiges verschwinden und in dessen Folge anderes zu Tage treten läßt. Also ist es Zeit die Fenster-Rollo-Art zu begründen. Das Rollo gehört zum Fenster; sein edelster Sinn besteht in der Abschirmung, der Abgrenzung und der Verhüllung! Die Zeit fordert nun endlich ihren ihr gemäßen künstlerischen Ausdruck“

Sigrid Noak: Die Faltung des Faltrollos steigert durch Brechen des Lichtes flächige Gestaltungen. Sie erzeugen vibrirende Lebendigkeit und erweitert die Malerei zum Relief. Das behutsame Öffenen und Schließen der Jalousie ergibt eine Vielfalt von anderen möglichen Kompositionen. 

 
Plakat zur Intermedia 1985 in Coswig
Ausstellungen mit Faltrollos:
29.01.1984 „Vorgänge“ Magdeburg Installation von bemalten Faltrollos
Clara Mosch Galerie Karl Marx Stadt 1985
INTERMEDIA I in  Coswig, 1.-2.6. 1985
Dieter Ladewig EIGEN + ART Leipzig 21.03.1986
Potsdam Nicolai Kirche
„Berlin atonal“
„acht MAL“ Dresden 1987
bemalte Faltrollos, 1987 in der Schlosskirche in Cottbus,  von 15 Künstlern aus der DDR
Rolloausstellungen, Bemalte Rollos, 1989 fand dann in der Galerie Haus 23 statt.
New Territory: Art from East Germany“ Museum of Fine Art Bosten
"Boheme und Diktatur in der DDR" 1997 im Deutschen Historischen Museum in Berlin
"Geniale-Dilletanten" im Albertinum Dresden 2017




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